| Amtsgericht Frankenthal (Pfalz)

Entscheidung des Monats Juli 2021

Amtsgericht entscheidet über Erstattungsansprüche wegen der unerlaubten Verwendung eines Lichtbildes im Internet.

Leitsätze des Gerichts:

1)      Die unberechtigte Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werkes (hier: Fotografie) im Internet löst nicht nur einen der dreijährigen Regelverjährungsfrist unterliegenden Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG aus, sondern führt daneben auch zu einem erst nach Ablauf von zehn Jahren nach seiner Entstehung verjährenden sog. ‚Restschadensersatzanspruch‘ des verletzten Rechtsinhabers nach § 852 Satz 1 BGB, der auf Ersatz des durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten Erlangten gerichtet ist.

 

2)      Eine auch vor Eintritt der Verjährung grundsätzlich mögliche Verwirkung des Restschadensersatzanspruchs setzt neben einer längeren Nichtgeltendmachung durch den Berechtigten (Zeitmoment) voraus, dass der Verletzer sich nach dem Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen wird (Umstandsmoment), woran es jedenfalls dann fehlt, wenn der Berechtigte seine Entschädigungsansprüche mehrfach reklamiert und deren Weiterverfolgung angekündigt hat.

 

3)      Das vom unberechtigten Nutzer auf Kosten des verletzten Rechtsinhabers Erlangte besteht regelmäßig in der als objektiver Gegenwert für den Gebrauch des Werkes zu sehenden angemessenen Lizenzgebühr.

 

4)      Zur Ermittlung der Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr kann bei Fotografien auf die von der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) jährlich herausgegebene Tabelle zurückgegriffen und anschließend auf Basis des so berechneten Wertes unter Berücksichtigung der individuellen Umstände die im konkreten Fall angemessene Lizenzgebühr gefunden werden.

 

Sachverhalt:

Der Beklagte nutzte auf der von ihm betriebenen Internetseite „www.gxxx.com“ von 2008 bis 2015 ohne Genehmigung des Klägers und ohne Verweis auf dessen Urheberschaft ein von diesem gefertigtes Lichtbild eines Gerätes zur Messung von Elektro-Smog (Anl. K2/K5). Am 14. Juni 2015 mahnte der Kläger den Beklagten wegen der unberechtigten Nutzung ab und unterbreitete sogleich einen Vergleichsvorschlag in Höhe von 1.500.- € im Hinblick auf ihm zustehende Schadensersatzansprüche (Anl. K7). Mit anwaltlichem Schreiben vom 29. Juni 2015 gab der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anl. K8) und zahlte nach Bekanntgabe der Kontoverbindung durch den Kläger im Schreiben vom 14.07.2015, in dem dieser wie bereits zuvor am 30. Juni 2015 einen reduzierten Vergleichsvorschlag in Höhe von 1.250.- € unterbreitete (Anl. K10), einen Betrag von 500,00 €. Mit Schreiben 17.10.2019 mahnte der Kläger sodann die Zahlung eines ausstehenden Betrages von 1.500.- € an (Anl. K11).

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm für die unberechtigte Nutzung im Zeitraum von 2010 bis 2015 ein nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie unter Zugrundelegung der MFM-Tabelle zu ermittelnder Schadensersatzbetrag von insgesamt 1.500.- € zustehe. Dieser errechne sich aus der Lizenz für die Nutzung eines Lichtbildes im Internet in Höhe von 310.- € für das erste Jahr der Nutzung (2010) und je 155.- € für jedes Folgejahr (2011-2015). Zu dem sich so ergebenden Betrag von 1.085.- € sei ein Zuschlag in Höhe von 100 % für die unterlassene Urheberbenennung zu addieren. Von dem Gesamtbetrag von 2.170.- € sei allerdings ein Abzug vorzunehmen, weil er das fragliche Foto einem Kunden für einen wesentlich geringeren Lizenzbetrag zur Nutzung zur Verfügung gestellt habe. Da diesem aber lediglich die Nutzung in einem Druckerzeugnis (Katalog) gestattet und überdies ein Großkundenrabatt eingeräumt worden sei, der dem Beklagten so nicht zu Gute kommen könne, sei es angebracht, einen Abschlag in Höhe von lediglich 670.- € vorzunehmen und somit von einer angemessenen fiktiven Lizenzgebühr von 1.500.- € auszugehen, um den Beklagten nicht besser, aber auch nicht schlechter zu stellen, als einen ordentlichen Lizenznehmer (vgl. dazu den Vortrag und die Berechnung auf Seite 8 f. der Klageschrift unter II. 4. c) (4)). Abzüglich des bereits im Jahr 2015 gezahlten Betrages von 500.- € stehe ihm daher noch eine Zahlung in Höhe von 1.000.- € zu.

Der Beklagte trägt vor, etwaige Ansprüche des Klägers seien durch einen Vergleich erledigt, der dadurch zustande gekommen sei, dass er dem Kläger zum Zwecke einer Einigung 500.- € angeboten und dieser durch Bekanntgabe seiner Kontoverbindung und Entgegennahme der entsprechenden Zahlung das Angebot angenommen habe. Im Übrigen seien mögliche Ansprüche des Klägers ohnehin verjährt, jedenfalls aber verwirkt, weil der Kläger mit der Geltendmachung seiner angeblichen Restforderung nach dem Schriftwechsel vom Sommer 2015 über vier Jahre zugewartet habe. Schließlich sei die Forderung des Klägers auch deutlich überhöht und mit der Zahlung aus dem Jahr 2015 ausreichend abgegolten.

Das Amtsgericht hat den Beklagten teilweise verurteilt, im Übrigen die Klage abgewiesen.

Aus den Gründen:

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung weiterer 476,50 € aus § 852 iVm §§ 812 ff. BGB.

1.            Der Kläger hat im Hinblick auf die zwischen den Parteien unstreitige unberechtigte Nutzung des vom Kläger gefertigten Lichtbildes dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG. Da dieser für den mit der Klage verfolgten Zeitraum fortlaufend in den Jahren 2010 bis 2015 entstanden ist und der Anspruch sowie die Person des Anspruchsgegners dem Kläger spätestens im Jahr 2015 bekannt waren, ist dieser Anspruch jedoch nach § 102 Satz 1 UrhG iVm § 195, § 199 Abs. 1 BGB bereits Ende 2018 und damit deutlich vor Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens im Jahr 2019 als hemmendes Ereignis im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB verjährt. Da der Beklagte die Einrede der Verjährung auch ausdrücklich erhoben hat, ist der Kläger mithin an der Durchsetzung dieses Anspruchs gehindert (§ 214 Abs. 1 BGB).

2.            Nach § 852 Satz 1 BGB bleibt der Ersatzpflichtige, wenn er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat, jedoch auch nach Eintritt der dreijährigen Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach §§ 812 ff. BGB verpflichtet (sog. deliktischer Bereicherungsanspruch oder Restschadensersatzanspruch).  So liegt der Fall hier. Der Beklagte hat durch die Verletzung des Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Fotografie und des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft an dem Lichtbild auf Kosten des Klägers als Rechtsinhaber etwas erlangt: denn er hat durch das Einstellen der Fotografien auf seiner Internetseite in den Zuweisungsgehalt des dem Kläger zustehenden Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen der Fotografien und auf Anerkennung seiner Urheberschaft an den Fotografien eingegriffen und sich damit auf dessen Kosten den Gebrauch dieses Rechts ohne rechtlichen Grund verschafft (vgl. dazu ausführlich BGH, GRUR 2015, 780, 783 - „Motorradteile“).

3.            Der Anspruch hat sich entgegen der Annahme des Beklagten auch nicht durch einen im Jahr 2015 geschlossenen Abgeltungsvergleich erledigt.
Zu einem solchen Vergleichsvertrag ist es nicht gekommen. Der Kläger hatte dem Beklagten im Rahmen der 2015 geführten Korrespondenz zunächst angeboten, die Angelegenheit durch Leistung einer „einmaligen Schadensersatzzahlung in Höhe von 1.500,00 €“ abzugelten. Diese Offerte hat der Beklagte als zu hoch abgelehnt und seinerseits eine Zahlung von 300,00 € angeboten (Anl. K8), was wiederum der Kläger abgelehnt und ein neues Angebot mit einer reduzierten Zahlung von lediglich 1.250,00 € unterbreitet hat (Anl. K9). Hierauf hat der Beklagte sein Angebot auf 500,00 € erhöht und um Bekanntgabe der Kontoverbindung des Klägers nachgesucht (Anl. K10). Als Reaktion hat der Kläger am 14. Juli 2015 dem Beklagten seine Kontoverbindung mitgeteilt und zudem unter Aufrechterhaltung seines vorherigen Angebotes erklärt, dass er „einer einmaligen Schadensersatzzahlung von 1.250.- Euro“ bis 21. Juli 2014 (gemeint war wohl: 2015) entgegensehe, „um die Angelegenheit einer vergleichsweisen Regelung zuzuführen“. Darin kann ungeachtet der eine Überweisung ermöglichenden Bekanntgabe der Bankverbindung des Klägers entgegen der Auffassung des Beklagten gerade keine Annahme des Angebots auf Abschluss eines Vergleichs bei Zahlung eines Betrages von (nur) 500.‑ € gesehen werden. Vielmehr ergibt sich aus der ausdrücklichen Aufrechterhaltung des bereits zuvor unterbreiteten Angebotes einer vergleichsweisen Zahlung von 1.250.- €, dass der Kläger das Angebot des Klägers trotz Entgegennahme der Zahlung des Beklagten nicht angenommen hat (§ 150 Abs. 2 BGB).

4.            Die Forderung des Klägers auf Zahlung von Restschadensersatz für den Zeitraum ab 2010 ist auch nicht verjährt. Die Verjährung dieses Anspruchs richtet sich  - anders als diejenige des Anspruchs aus § 97 Abs. 2 UrhG (s.o. unter 1.) -  nämlich nach § 102 Satz 2 UrhG iVm § 852 BGB und läuft gemäß § 852 Satz 2 BGB von der Entstehung des Anspruchs an gerechnet zehn Jahre (vgl. BGH, GRUR 2012, 715, 717/718 - „Bochumer Weihnachtsmarkt“). Da die früheste mit der Klage verfolgte Forderung das Jahr 2010 betrifft und in diesem Kalenderjahr entstanden ist, ist der zugrundeliegende Anspruch nicht vor Anfang 2020 verjährt, so dass die Verjährung durch den am 27. Dezember 2019 beantragten und demnächst, nämlich am 4. Januar 2020 zugestellten Mahnbescheid wirksam gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB iVm § 167 ZPO).

5.            Die Forderung des Klägers ist darüber hinaus auch nicht verwirkt. Nach ständigen höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH, GRUR 2015, 780, 784 - „Motorradteile“ mwN) ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment). Daran fehlt es hier.

Der Kläger hat mit der Einleitung des gerichtlichen Mahnverfahrens nach Kenntniserlangung des Urheberrechtsverstoßes und Scheitern der Verhandlungen mit dem Beklagten zwar sehr lange, nämlich über vier Jahre abgewartet und in dieser Zeit sogar seinen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG verjähren lassen. Allerdings hat er bereits im Jahr 2015, nämlich in den vorgelegten Schreiben vom Juni und Juli 2015 und damit lange vor Ablauf der für den Schadensersatzanspruch laufenden kurzen Regelverjährungsfrist mehrfach seine Entschädigungsansprüche geltend gemacht und deren Weiterverfolgung angekündigt. Es ist daher weder ersichtlich noch dargelegt, aufgrund welcher Umstände der Beklagte hier darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Kläger seine Rechte aus der Urheberrechtsverletzung nicht mehr geltend macht. Ein solcher Umstand ist insbesondere nicht in der Zahlung und Entgegennahme des Betrages von 500,00 € im Juli 2015 zu sehen, zumal der Kläger danach nochmals mitgeteilt hat, von der Geltendmachung weiterer Forderungen nur bei Zahlung eines (Gesamt-)Betrages von 1.250,00 € absehen zu wollen.

6.            Zur Höhe des dem Kläger zustehenden Bereicherungs- bzw. Restschadensersatzanspruchs gilt:Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB der objektive, in der angemessenen Lizenzgebühr zu erblickende Gegenwert für den Gebrauch des Urheberrechts zu ersetzen, wobei dem Bereicherten der Einwand des Wegfalls seiner Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) abgeschnitten ist, weil das Erlangte  - also der Gebrauch des Schutzgegenstands -  nicht mehr entfallen kann (BGH, GRUR 2015, 780, 783 mwN - „Motorradteile“).

Danach schuldet der Beklagte eine angemessene Lizenzgebühr für die Nutzung des Lichtbildes in den Jahren 2010 bis 2015. Für deren Festsetzung im Wege richterlicher Schätzung nach § 287 ZPO kann hinsichtlich der Nutzung von Fotografien nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Gerichts sowie der übergeordneten Rechtsmittelgerichte zumindest zur Orientierung ohne Weiteres auf die jährlich von der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing herausgegebene Publikation „Bildhonorare“ (“MFM-Tabelle“) zurückgegriffen werden. Dies hat der Kläger bei der Berechnung seines Anspruchs auch getan, dabei allerdings ausgeblendet, dass für die längere, mehrjährige Nutzung von Lichtbildern im Internet spezielle Tarife gelten. So ist hier für einen dreijährigen Nutzungszeitraum (2010-2012) ein Betrag von 465.- € zugrunde zu legen (vgl. Seite 70 der vom Kläger auszugsweise als Anlage K14 vorgelegten MFM-Tabelle 2010). Hinzu kommt der auch vom Kläger angenommene Zuschlag von 50 % für das nachfolgende Zeitintervall, also den Dreijahreszeitraum von 2013 bis 2015. Zu dem sich so errechnenden Betrag von 697,50 € kommt ein weiterer Zuschlag von 100 % aufgrund der unstreitigen Unterlassung der Benennung des Klägers als Urheber des Lichtbildes (unterlassener Bildquellennachweis, vgl. Seite 11 der MFM-Tabelle 2010). Der der Schätzung zugrunde zu legende Ausgangsbetrag beläuft sich demnach auf 1.395.- €. Hiervon ist jedoch nach den plausiblen Angaben und Berechnungen des Klägers in der Klageschrift, wonach der von ihm für ein entsprechendes Katalogfoto (Produktbild) von einem Kunden verlangte Lizenzbetrag einerseits deutlich niedriger ist, einem Verletzer andererseits aber Rabatte nicht in gleichem Umfang zu Gute kommen sollten, wie einem redlichen Nutzer, ein Abschlag vorzunehmen. Der Kläger selbst hat diesen Abschlag  - ausgehend von einer angenommenen Lizenzgebühr von 2.170.- € -  in nicht zu beanstandender Weise mit 670.- € (knapp 31 %) angesetzt. Nimmt man daher von der oben ermittelten Summe von 1.395.- € einen vergleichbaren Abschlag in einer Größenordnung von 30 % vor, gelangt man zu einer geschuldeten fiktiven Lizenzgebühr von 976,50 €. Unter Abzug des hierauf vom Beklagten bereits 2015 gezahlten Betrages von 500.- € ergibt sich eine noch offene Restforderung in ausgeurteilter Höhe von 476,50 €.
Hinzu kommen die begehrten Zinsen, die der Verletzte für die Zeit zwischen Verletzungshandlung und Vergütungszahlung verlangen kann (vgl. Dreier/Schulze-Specht, UrhG 6. Aufl. § 97 Rn. 85).

Teilen

Zurück